Monatelange Untätigkeit sowohl der Regierung als auch der sogenannten „Volksvertreter“, gefolgt von einem vom Justizministerium einberufenen „Dialogforum“, in dem dezidierte Gegner der Sterbehilfe und Vertreter der Religionsgemeinschaften über die Neugestaltung der Sterbehilfegesetzgebung verhandeln, während eine Handvoll Experten als Statisten dienen sollen – so sieht knapp fünf Monate nach der höchstgerichtlichen Aufhebung der „Beihilfe zum Selbstmord“ die politische Sterbehilfedebatte in Österreich aus.
Vor dem Hintergrund der andauernden Weigerung der Politik, eine sachliche Regelung der Sterbehilfe voranzutreiben, hat „Letzte Hilfe – Verein für selbstbestimmtes Sterben“ heute einen umfangreichen Gesetzesentwurf, der den ärztlichen Suizid-Beistand regelt, der Justizministerin sowie allen Parlamentsklubs übermittelt. Dieser Entwurf wurde in Kooperation mit dem Beirat der Initiative entwickelt, in dem namhafte Experten sowie Betroffene sitzen. Die Eckpunkte des Entwurfs lauten wie folgt:
- Ärztlicher Suizid-Beistand kann nur entscheidungsfähigen Erwachsenen bei Vorliegen bestimmter medizinisch quantifizierbarer Voraussetzungen gewährt werden.
- Beim Verfahren wirken mindestens zwei voneinander unabhängige Ärzte – und bei Bedarf auch Zeugen – mit.
- Während des Verfahrens haben mindestens zwei Aufklärungsgespräche stattzufinden.
- Eine verpflichtende Mindestverfahrensdauer soll vor einer übereilten Entscheidung schützen.
- Hilfesuchende, die nicht imstande sind, die Sterbesubstanz selbstständig einzunehmen, können einen erweiterten ärztlichen Suizid-Beistand erhalten.
- Kein Arzt kann gezwungen werden, ärztlichen Suizid-Beistand anzubieten oder zu leisten.
- Eine zentrale Koordinationsstelle beim Gesundheitsministerium dokumentiert und überwacht sämtliche Verfahren des ärztlichen Suizid-Beistandes und veröffentlicht einen jährlichen Bericht darüber.
In den vollständigen Gesetzesentwurf kann über folgenden Link Einsicht genommen werden:
https://www.letztehilfe.at/gesetzesentwurf/
„Es ist mehr als bedenklich, wenn die Zivilgesellschaft das machen muss, was eigentlich Aufgabe der Politik wäre, nämlich ein dringend notwendiges Gesetz zu entwerfen, das Hilfesuchenden einen selbstbestimmten Tod ermöglicht und sie gleichzeitig vor Missbrauch und Entscheidungen aufgrund mangelnder Informationen schützt“, meint Eytan Reif, Sprecher der Plattform. Kein Verständnis hat Reif zudem für die Handlungsweise der Justizministerin: „Ein grundsätzliches Verbot der Sterbehilfe wurde vom Verfassungsgerichtshof eindeutig verneint. Nun steht ausschließlich die Gestaltung der Rahmenbedingungen zur Debatte. Sterbehilfegegner und Vertreter von Glaubensgemeinschaften haben bei solch einem Forum nichts verloren. Ich hoffe sehr, dass die wenigen Experten, die eingeladen wurden, ihre Teilnahme überdenken und sich im Rahmen dieses abgekarteten Spiels nicht instrumentalisieren lassen“.