Piskaty: „Das Recht auf Selbstbestimmung ist wichtiger als parteipolitische Interessen“
Mehr als fünf Monate sind vergangen, seitdem der Verfassungsgerichtshof das grundsätzliche Verbot der Suizid-Beihilfe (§78 StGB) als verfassungswidrig erkannt und eine Reparaturfrist von einem Jahr festgelegt hat. Obwohl die nach wie vor geltende Strafbestimmung zahlreichen Hilfesuchenden ein Recht auf Sterbehilfe verwehrt, unternahm die Türkis-Grüne Regierung bislang nichts, um die dringend notwendige Neuausrichtung der Sterbehilfegesetzgebung vorzunehmen; lediglich ein „Dialog-Forum“ wurde von der Justizministerin einberufen, das von Sterbehilfegegnern beherrscht ist und in dem aufgrund Mehrfachbesetzungen die Katholische Kirche eine dominierende Stellung genießt. Dank der tendenziösen Punktation und der einseitigen Zusammensetzung dieses Gremiums soll das vorbereitet werden, was Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) auch offen verkündet hat, nämlich eine äußerst restriktive Verrechtlichung des assistierten Suizids. Die Tötung auf Verlangen soll von der Debatte zudem vollkommen ausgespart werden. „Während die Regierung auf Zeit spielt, Scheindebatten veranstaltet und um eine Minimallösung bemüht ist, brilliert das Österreichische Parlament durch Untätigkeit: kein einziger Entschließungsantrag oder Gesetzesvorschlag – geschweige denn, ein Initiativantrag – zu diesem Thema wurde seitens irgendwelcher ‚Volksvertreter‘ bisher vorgelegt, obwohl eine große Mehrheit der ÖsterreicherInnen eine Liberalisierung der Sterbehilfegesetzgebung befürwortet“, gibt „Letzte Hilfe“-Sprecher Eytan Reif zu bedenken.
Vor diesem Hintergrund hat die Plattform ein entsprechendes Volksbegehren angemeldet, das ab sofort bei jedem Gemeindeamt oder via Internet mit einer Handy-Signatur bzw. Bürgerkarte unterstützt werden kann. Das „Letzte Hilfe“-Volksbegehren orientiert sich am Gesetzesvorschlag zum ärztlichen Suizidbeistand, den der Verein gemeinsam mit Experten und Betroffenen verfasst und am 23. April erstmals veröffentlicht hat (www.letztehilfe.at/gesetzesentwurf/).
„Als direkt Betroffene, an einer schweren körperlichen Behinderung mit progredientem Krankheitsverlauf Leidende, ist für mich die Unterstützung des Volksbegehrens von großer Bedeutung, weil gefordert wird, auch in Ausnahmefällen aktive Sterbehilfe zu erlauben. Ich möchte mich nämlich von Sterbehilfegegnern nicht genötigt fühlen, den ärztlichen Suizidbeistand zeitlich vorverlagern zu müssen, nur, weil die Tötung auf Verlangen kompromisslos abgelehnt wird“, so Susanne Piskaty aus dem Beirat von „Letzte Hilfe“. Laut Piskaty wird die Sterbehilfe-Debatte in Österreich zudem „nicht nur einseitig, sondern über den Köpfen der Hilfesuchenden geführt“ denn „ihre Bedürfnisse und ihr Recht auf Selbstbestimmung scheinen viel weniger zu zählen als parteipolitische Interessen“.