Zutiefst enttäuscht zeigen sich die Gründer bzw. Unterstützer von „Letzte Hilfe“, dem ersten Sterbehilfeverein Österreichs, nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH). Letzteres wies heute eine Beschwerde gegen das polizeiliche Vereinsgründungsverbot, das von der LPD-Wien im Jahr 2014 verhängt wurde, ab. „(…) der Gesetzgeber (hat) seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum weder überschritten noch durch das Verbot des § 78 StGB das Recht auf Achtung des Privatlebens oder das Diskriminierungsverbot verletzt“ – so der VfGH lapidar zum grundsätzlichen Verbot des assistierten Suizids in Österreich. Personen, die aufgrund einer schweren Krankheit, unerträglichen Schmerzen oder einer drohenden schweren Behinderung selbstbestimmt den Zeitpunkt ihres Todes festlegen möchten, werden somit nach wie vor sich selbst überlassen. Sie dürfen zu diesem Zweck weder vom Staat noch von ihren Mitmenschen Hilfe erhalten.
„Mit seinem heutigen Urteil besiegelte der VfGH das Diskussionsverbot und bezog in dieser Wertedebatte eine Position, die weder von der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt noch von der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher geteilt wird. Die Katholischen Kirche, die sich seit Jahren unermüdlich für eine Verschärfung des Sterbehilfeverbots in Österreich einsetzt, kann heute hingegen einen ihrer größten Erfolge venuchen. Es würde mich nicht wundern, wenn heute noch Kardinal Schönborn sich bei den Mitgliedern des VfGH – einige stehen ohnehin der Katholischen Kirche ideologisch sowie organisatorisch sehr nahe – für dieses Urteil bedanken wird“ meint Beschwerdeführer und Sprecher der „Initiative Religion ist Privatsache“ Eytan Reif. Reif initiierte im Jänner 2014 gemeinsam mit dem im Vorjahr verstorbenen Vorstandskollegen Prof. Heinz Oberhummer und weiteren 30 UnterstützerInnen die Gründung von „Letzte Hilfe“. „Während selbst im erzkatholischen Portugal nun über Sterbehilfe debattiert wird, werden Betroffene in Österreich politisch sowie gerichtlich glatt ignoriert und somit gezwungen, bis zum Eintritt des natürlichen Todes zu warten, Hilfe im Ausland zu suchen oder, je nach Improvisationsgeschick, einen entwürdigenden Suizidversuch mit ungewissem Ausgang in Kauf zu nehmen“, so Reif.
Die Entscheidung des VfGH stellt für Reif indessen keineswegs einen Schlussstrich unter das Bestreben dar, den assistierten Suizid in Österreich zu legalisieren auch wenn „dieser Entscheidug selbstverständlich zu respektieren und zu befolgen ist“. Zum einen wird der Fall nun dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen der Verletzung der Vereins- und Religionsfreiheit sowie des Rechts auf Achtung der Privatsphäre vorgelegt werden. Ferner wird die „Initiative Religion ist Privatsache“ sämtliche Agenden des untersagten Vereins, die keinen Verstoß gegen §78 StGB darstellen, übernehmen. Dazu gehört insbesondere der Versand der sog, „Infomappe“, die die von ausländischen Sterbehilfeorganisationen zur Verfügung gestellten Unterlagen beinhaltet. Ferner gibt die Initiative bekannt, noch vor dem Sommer erstmals eine Tagung zum Thema Sterbehilfe abzuhalten.
Sehr enttäuscht vom Urteil zeigte sich auch Dr. Wolfram Proksch, der Rechtsanwalt des untersagten Vereins, „Letzte Hilfe“: „Der Staat hat unseres Erachtens nicht das Recht, den Bürgern vorzuschreiben, wie sie zu sterben haben. Wir verstehen das wenig liberale Erkenntnis des VfGH als Aufforderung, die Frage der Freiheit zu einem selbstbestimmten, würdigen Tod neuerlich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) heranzutragen“.
erasmus meint
©VfGH/Achim Bieniek